Die Geschichte und Entwicklung der Straßennamen in Bietigheim-Bissingen

Ein Bericht von Stefan Benning über den Vortrag von Reinhard Hirth in der GV-Runde am 1. April 2009

Die Geschichte und Entwicklung der Straßennamen in Bietigheim-Bissingen stand im Mittelpunkt der April-Monatsrunde des Geschichtsvereins Bietigheim-Bissingen am vergangenen Mittwoch. Reinhard Hirth präsentierte im vollbesetzten Bärensaal die Ergebnisse seiner intensiven Beschäftigung mit dem Thema.

Nach jahrelangen Bemühungen wurde bekanntlich vor wenigen Wochen die Karl-Peters-Straße in Bietigheim in Eisvogelweg umbenannt. Die Benennung einer Straße nach dem Kolonialisten und Rassisten Karl Peters war für eine moderne, tolerante und demokratische Gesellschaft längst nicht mehr hinnehmbar. Der Straßenname war ein Überrest aus nationalsozialistische Zeit und macht deutlich: Straßennamen sind Spiegel ihrer Zeit und insofern auch eine interessante Geschichtsquelle.

Reinhard Hirth, Lehrer am Gymnasium im Ellental, beschäftigt sich seit einiger Zeit bereits mit den Straßen in Bietigheim-Bissingen. Die Ergebnisse seiner Arbeit macht er auch im Internet zugänglich. (www.pascua.de)

Auf der Grundlage alter und neuer Stadtpläne stellte Hirth die Entwicklung der Straßennamen Ortsteil für Ortsteil vor. Er unterschied dabei grundsätzlich zwischen „natürlichen”, d.h. an eine örtliche Gegebenheit gebundene Namen, und „künstlichen”, d.h. willkürlich (vom Gemeinderat) festgelegten. Selbst intensive Forschungen in den Gemeinderatsprotokollen seit dem 19. Jahrhundert konnten freilich nicht alle Namensgebungen mit Datum und Begründung klären. Entsprechend der Bauentwicklung lassen sich bestimmte Phasen und Vorlieben für die Straßennamen ablesen. Zeitgeist und Politik werden spürbar. Bemühungen um eine gewisse Systematik wurden jedoch häufig durchbrochen. Manchmal bildete der Name einer bereits bestehenden Straße, das Thema für die im Umfeld folgenden: Der Gustav-Schönleber-Straße folgten weitere Bietigheimer Größen im Umfeld und später Maler des 19. Jahrhunderts. Im Gebiet um das Krankenhaus ehrte man nach 1900 Militärs bzw. erfolgreiche Schlachten: Champigny, Moltke, Bismarck. Im ebenfalls zu Anfang des 20. Jahrhunderts erschlossenen Auraingebiet pendelte man etwas unentschlossen zwischen Deutschen Kaisern und Kaiserinnen und württembergischen Königinnen und Königen: Wilhelm, Augusta, Olga. Um dann in späterer Zeit hier Persönlichkeiten aus der Führung der Linoleumwerke zu ehren: Nairn, Schoeller, Heilner, Hans Stangenberger, K.A. Maerz. Aufklären konnte Hirth auch, dass die Ringstraße eigentlich einmal entlang des Eisenbahnbogens zum Bahnhof tatsächlich einen Ring hätte bilden sollen. Die Pläne aber wurden verworfen und so ist die Ringstraße heute auf eine kurze Gerade westlich der Stuttgarter Straße beschränkt.

Während der nationalsozialistischen Zeit wurden wie überall viele Straßen nach Nazi-Größen umbenannt, in Bietigheim und Metterzimmern wurde aus der Hauptstraße die Adolf-Hitler-Straße, in Bissingen gab's im alten Ortszentrum gar den Adolf-Hitler-Platz. Eine wenig glückliche Dopplung der nach dem Wobach benannten Straße in Bietigheim und in Bissingen Bahnhofsbereich beseitigte man in Bissingen dadurch aus der Parallele zur Bahnhofstraße auf der Parzelle, in Adolf-Hitler-Straße umbenannte - eine Sackgasse, wie sich heute zeigt. Auch überzeugte Vorbilder wie der Hitlerjunge Fritz Kröber oder der erste Bietigheim Braunhemdträger Theo Gloth kamen zu Straßenehren und verdrängten ideologisch missliebige. Doch währte ihre Existenz nur kurz, 1945 war bekanntlich alles vorüber. Alle belasteten Straßennamen verschwanden wieder, einzig die Karl-Peters-Straße überlebte, weil er auf den ersten Blick nicht nationalsozialistisch belastet war.

Detailliert zeichnete Hirth die den Baugebieten folgende Entwicklung der Nachkriegszeit nach: Ostgebiete, Orte aus dem Kreis, Barockstätten, Vögel, Bäume, Blumen waren nun die unverdächtigen Themen für die Zug um Zug wachsenden Baugebiete. Problematisch wurde es beim Entstehen der neuen Stadt Bietigheim-Bissingen 1975. Nun mussten im großen Stile Straßen umbenannt werden, weil man ja keine Dopplungen innerhalb der Stadt zulassen konnte. Abschließend führte Hirth noch an wenigen Beispiele vor, dass Straßennamen auch innerhalb der Stadt wandern konnten, wie etwa die Hornmoldstraße, die zunächst die heutige Kurze Straße bezeichnete und erst später in den Sand wanderte.

Als Fazit kann man festhalten, dass sich Straßennamen im Laufe der Zeit viel häufiger verändert haben, als man erwartet. Insofern relativiert sich die Aufregung der Karl-Peters-Anwohner erheblich. Mit großem Beifall wurde dieser ungewöhnliche und zugleich höchst aktuelle Gang durch die Stadtgeschichte beschlossen. Stadtarchivar Stefan Benning kündigte an, dass die Arbeit von Reinhard Hirth zur Geschichte der Straßennamen in Bietigheim-Bissingen im Laufe des Jahres auch als Büchlein vom Stadtarchiv herausgegeben werden.