100 Jahre Frauenwahlrecht

Bericht über den Vortrag von Prof. Dr. Sabine Liebig beim Geschichtsvereins Bietigheim-Bissingen (11.4.2019)

Seit 100 Jahren dürfen Frauen in Deutschland an Wahlen teilnehmen. Aus Anlass dieses Jubiläums hielt die Karlsruher Professorin Sabine Liebig im Geschichtsverein einen Vortrag über das Thema „100 Jahre Frauenwahlrecht”. Bei der Wahl zur Verfassunggebenden Nationalversammlung der Weimarer Republik am 19.1.1919 hatten die Frauen zum ersten Mal das Stimmrecht. Möglich gemacht hatte das der „Rat der Volksbeauftragten”, der nach dem Ende des Kaiserreiches im November 1918 die Macht übernommen hatte. Am 12. November proklamierte er das gleiche, geheime, direkte Wahlrecht für alle Männer und Frauen ab einem Alter von 20 Jahren.

Unter schwierigen Bedingungen hatten seit der Mitte des 19. Jahrhunderts verschiedene Gruppen von Frauen für ihr Rechte und auch für ein Frauenstimmrecht gekämpft. Die Aktivistinnen konnten sich zunächst nur privat in den Häusern von Vertrauten treffen, sie durften nicht in öffentlichen Versammlungen für ihre Ziele werben. Die Frauen konnten karitative Vereine oder Bildungsvereine gründen, aber jede politische Betätigung war ihnen nach dem Preußischen Vereinsgesetz bis 1908 untersagt.

Trotzdem ließen sich engagierte Frauen in ihrem Kampf für Frauenrechte nicht einschüchtern; sie versuchten, ihre Forderungen mit publizistischen Mitteln zu verbreiten. Die Referentin stellte einige von ihnen vor: Hedwig Dohm setzte sich gegen den weitgehenden Ausschluss der Frauen aus dem öffentlichen Leben mit der Parole zur Wehr: „Menschenrechte haben kein Geschlecht.” Sie kämpfte gegen die „Macht der sich ständig wiederholenden Behauptungen”, nach denen die Frauen sich auf ihre angeblich naturgegebene Rolle in der Familie beschränken sollten. Anita Augspurg war die erste promovierte Juristin Deutschlands; sie engagierte sich besonders gegen die Benachteiligung von Frauen im Bürgerlichen Gesetzbuch.

Es gab allerdings auch konservativ eingestellte Frauen, die das Frauenwahlrecht ablehnten, weil sie bei der Beteiligung von vielen Arbeiterinnen an den Wahlen einen Sieg der Sozialdemokraten fürchteten. Konservative Kräfte gründeten sogar im Jahre 1912 einen „Deutschen Bund zur Bekämpfung der Frauenemanzipation”.

Als einzige der im Reichstag vertretenen Parteien setzte sich die SPD für das Frauenstimmrecht ein; seit 1891 stand diese Forderung im Parteiprogramm. So war es nur folgerichtig, dass die SPD-Abgeordnete Marie Juchacz als erste Frau in der Nationalversammlung ans Rednerpult trat; sie hob hervor, dass die Durchsetzung des Stimmrechts für Frauen der Revolution von 1918 zu verdanken sei.


Prof. Dr. Sabine Liebig lehrt seit 2004 Neue und Neueste Geschichte und ihre Didaktik an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe. Einer ihrer Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte ist die Frauen- und Geschlechtergeschichte.