Tu felix Wirtemberga
- Vom Staate Beutelsbach zum Königreich Württemberg

Ein Bericht von Stefan Benning über einen Vortrag von Manfred Kurz bei der GV-Monatsrunde am 10.1.2007

Der 200. Jahrestag der Erhebung Württembergs zum Königreich 2006 war Anlass für den Vorsitzenden des Geschichtsvereins Bietigheim-Bissingen Manfred Kurz, sich in der jüngsten Geschichtsvereinsrunde am vergangenen Mittwoch umfassend mit der Gebietsentwicklung Württembergs auseinanderzusetzen: Vom aus dem Nebel eines quellenarmen Mittelalters auftauchenden Adelsgeschlecht hin zum mächtigsten Territorium im deutschen Südwesten und Mitspieler auf der europäischen Bühne. Dabei gelang es dem erfahrenden Pädagogen Kurz vorzüglich, die großen Linien der Entwicklung deutlich hervortreten und nicht in der Fülle der möglichen Details untergehen zu lassen. Moderne Präsentationstechnik erwies sich für diesen Zweck als äußerst hilfreich. Die zahlreichen Vereinsmitglieder und interessierten Gäste, die den Bärensaal bis auf den letzten Platz füllten, konnten auf diese Weise nicht nur das Wachstum des Landes visuell leicht nachvollziehen, sondern auch das seiner Herrscher, wie etwa die eindrucksvolle Ausdehnung der Körperfülle König Friedrichs anhand zweier nur wenige Jahre auseinander liegender Porträts.

Wie der Neckar, der Hauptstrom Württembergs, so sei auch das Land gewachsen aus vielen Quellen, Bächen und Rinnsalen, begann Kurz. Der rezitierten Ursprungssage aus dem 19. Jh. vom "Wirt am Berg" setzte er dabei die Erkenntnisse der jüngeren historischen Forschung entgegen. Als wahren Kern der romantischen Sage ließ sich immerhin die entfernte Verwandtschaft der Württemberger mit dem salischen Kaiserhaus erweisen. Demnach war Konrad von Beutelsbach der 1080 erstmals fassbare Ahnherr der Württemberger. Er benannte sich bald nach seiner 1083 auf dem "Württemberg" über dem Remstal erbauten Höhenburg und benutzte dafür wie damals üblich den topographischen Namen, den er dort vorfand.

Wegen mangelnder Expansionsmöglichkeiten verlegten die Württemberger ihren Herrschaftsschwerpunkt in staufischer Zeit aus dem unteren Remstal nach Ost- und Oberschwaben. Hier ist auch der Ursprung des württembergischen Hirschstangenwappens zu suchen. Das Ende der dominanten Staufer um 1250 und die anschließende etwa eine Generation währende „kaiserlose, schreckliche Zeit𔄭 (Goethe), das sogenannte Interregnum, ermöglichte ein territoriales Ausgreifen der Württemberger Grafen. Graf Ulrich I., der Stifter, legte die Keimzelle mit Cannstatt, Waiblingen, Neckarrems und Leonberg als früheste Besitzungen und dem als badische Mitgift erworbenen "Stutengarten". Dabei gingen die Grafen auch späterhin in ihrem Expansionsdrang viel weniger militärisch als kaufmännisch vor, kauften, was zu kaufen war, erheirateten, was auf diesem Weg zu erhalten war. Wirtschaftliche Grundlage bildeten u. a. einträgliche Geleitrechte im Remstal. Als glücklich für den Fortbestand der Familie und der Herrschaft erwies sich, dass zumeist nur ein männlicher Erbe die Macht schwächende Erbteilungen verhinderte. Mit Mitgiften zu verheiratender Töchter ging man ebenfalls sparsam um, wählte unter Umständen nicht immer die standesgemäß beste, aber teuerste Partie, sondern verheiratete eine Tochter auch schon mal unter Stand. So konnten die Württemberger vom Niedergang vieler ehemals bedeutender Adelsgeschlechter profitieren wie etwa den Herzögen von Teck, den Grafen von Urach, den Pfalzgrafen von Tübingen bzw. Asperg und schließlich den Grafen von Vaihingen. Letztere hatten in wirtschaftlicher Not seit Ende des 13. Jh. bedeutende Teile ihrer Grafschaft längst verkaufen müssen als aufgrund eines Erbvertrags 1356/64 auch der Rest der Vaihinger Grafschaft mit den Städten Horrheim und Hohenhaslach und der Burg Eselsberg an Graf Eberhard von Württemberg fiel, darunter auch das noch nicht einmal namentlich erwähnenswerte Bietigheim. Mit der 1407 erheirateten Grafschaft Mömpelgard schlägt sich nun Gebietszuwachs eigenen Rechts erstmals auch im Wappen nieder: die Mömpelgarder Barben werden in das Grafschaftswappen aufgenommen. Mit der Erhebung zum Herzogtum 1495 verändert sich das Wappen erneut: als reichsrechtliche Legitimation werden die Rauten der Herzöge von Teck ebenso aufgenommen wie die Markgröninger Reichssturmfahne. Weitere Gebietserwerbungen machen das Wappen nun immer kleinteiliger und bunter, stets verbleibt aber unten links ein Feld frei für künftige Erwerbungen. Einzige wirklich militärische Erwerbungen sind die durch Herzog Ulrich im Landshuter Erbfolgekrieg Anfang des 16. Jh. gewonnen nördlichen Landesteile, dazu gehörte u. a. Ingersheim und halb Löchgau. Das Amt Besigheim und später Bönnigheim wurden wiederum gekauft, das eine Ende des 16. Jh. von den Markgrafen von Baden, das andere 200 Jahre später vom Erzbischof von Mainz.

Von Napoleons Gnaden schließlich wurde Württemberg Anfang des 19. Jh. zunächst zum Kurfürstentum dann 1806 zum Königreich erhoben. Als Entschädigung für den Verlust des linksrheinischen Mömpelgard vergrößerten zahlreiche säkularisierte Klöster und die mediatisierten Reichsstädte das Land auf eine Weise, dass der Umfang der Neuerwerbungen als Neuwürttemberg eine eigene Verwaltungsorganisation notwendig machte. So zählte Württemberg zu den großen Gewinnern der napoleonischen Neuordnung Europas.