Vom Anhäuser Beutelbuch zu Rezzos Bächlinger Schwert

Jahresexkursion des Geschichtsvereins Bietigheim-Bissingen führte nach Hohenlohe

Ein Bericht von Stefan Benning über die Jahresexkursion des Geschichtsvereins Bietigheim-Bissingen am 7. Mai 2011

Am vergangenen Samstag führte Manfred Kurz gemeinsam mit seiner Frau Anne D. Kurz knapp 50 Geschichtsvereinsmitglieder zum wiederholten Male in seine heimliche Heimat nach Hohenlohe. Erneut standen kleine kunsthistorische Kostbarkeiten abseits der üblichen touristischen Routen auf dem Programm.

Anhäuser Mauer(Vergrößerung)

Bei strahlendem Sonnenschein war das erste Etappenziel eine einsam aus den Feldern aufragende 20 m hohe und 10 m lange sorgfältig in Bruch- und Werkstein gearbeitete Mauerruine, Rest der Nordchorwand der Klosterkirche des 1403 gegründeten ehemaligen Paulinen-Eremiten Klosters Anhausen. Mit der Reformation war es 1557 aufgelöst, in einen Pachthof umgewandelt und ab 1700 abgebrochen worden. Das Steinmaterial fand bei der barockzeitlichen Erweiterung des Schlosses in Kirchberg/Jagst dankbare Wiederverwendung. Bemerkenswert sind fünf Epitaphe der Herren von Bebenburg aus der Zeit zwischen 1363 und 1472 an der einstigen Innenseite, die heute durch ein Schutzdach notdürftig vor der Witterung geschützt sind. Das jüngste Epitaph zeigt Lupold von Bebenburg, der als Bischof von Bamberg im dortigen Dom begraben liegt. Er trägt neben seinem nur noch rudimentär erkennbarem Bischofsstab ein sogenanntes Beutelbuch in seiner Linken, ein spätmittelalterliches Taschenbuch, dem die Tasche angearbeitet war.

Weiter ging es nach Amlishagen, wo am steilen Abhang über der Brettach seit Mitte des 13. Jahrhunderts eine heute im Wald versteckte Burganlage steht, die ihre verwundbare Bergflanke statt wie üblich mit einem Bergfried mit einer hochaufragenden massiven Schildmauer schützte. Die Anlage wurde in den 1980er Jahre umfassend archäologisch untersucht und der Baubestand mit beträchtlichen Mitteln des Landes und der Eigentümerfamilie saniert. Kenntnisreich, engagiert und zackig führte Dr. Sven-Uwe Bürger, Historiker und „nota bene” ein Sohn der Eigentümerfamilie, die heute im hangseitig anschließenden Herrenhaus aus dem Frühbarock lebt. Umfangreiche Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen fügten der hochmittelalterlichen Kernburg im 14. bis 16. Jahrhundert zahlreiche weitere Ringmauern, Türme und Gebäude hinzu und gaben der Anlage das Gepräge eines repräsentativen, spätmittelalterlichen Adelssitzes.

Die Residenz der Fürsten zu Hohenlohe, das Städtchen Langenburg, war das nächste Etappenziel. Hier stand zunächst einmal die leibliche Stärkung mit einem guten Mittagessen auf dem Programm. Frisch gestärkt und mit Wibele als Mitbringsel eingedeckt, wurde die Gruppe zunächst durch die Stadtkirche mit ihrer von Michael Kern aufwändig gestalteten Tumba für Graf Philipp Ernst und seine Gemahlin durch das Schloss Langenburg geführt. Beeindruckend waren hier besonders der Renaissance-Innenhof vom Anfang des 17. Jahrhunderts und die Gemächer, der eng mit dem englischen Königshauses verwandten Fürstenfamilie. Zum Tagesabschluss ging die Fahrt talwärts in das unterhalb Langenburgs gelegene Dörfchen Bächlingen. In der kleinen Chorturmkirche standen zunächst die frisch restaurierten Fresken aus der Mitte des 14. Jahrhunderts im Chor im Blickpunkt. Nachdem der örtliche Kenner Manfred Mühlenstedt eine kurze Einführung gegeben hatte, bemühte man sich gemeinsam um eine Erhellung und Entschlüsselung des reichhaltigen Bildprogramms. Auch wenn manche Fragen offen blieben, meinte Manfred Kurz, hier eine Darstellung des zweiten (apostolischen) Glaubensbekenntnisses als Thema erkennen zu können. Schließlich wandte man sich noch dem Epitaph des Ritters Burkhard, genannt Rezze von Bächlingen und seiner Frau von 1324 an der Südwand der Kirche zu. Es zeigt den Ministerialen der Grafen von Hohenlohe in voller Rüstung. Manfred Mühlenstedt informierte über die Herkunft des ungewöhnlichen Namens Rezzo, der wohl auf einen griechischen Handelsmann verweist. Immerhin war der Name so prägend, dass der langjährige Bächlinger Pfarrer Schlauch seinem Sohn diesen Namen verpasste.

Alle Mitreisenden waren sich einig, dass der Geschichtsverein mit den Kurzschen Exkursionen ein absolutes Alleinstellungsmerkmal, eine Kostbarkeit von eigenem Rang besitzt. Manfred Kurzens Wunsch, nun mit 80 Jahren und mit dieser Exkursion sich gleichsam in den Ruhestand verabschieden zu können, wollten die Mitreisenden deshalb so nicht akzeptieren. Unter dem Eindruck lang anhaltenden Beifalls formulierte Kurz bereits erste Ideen für die nächstjährige Ausfahrt.