Ein Bericht von Stefan Benning über die GV-Runde am 2. März 2011
Tief in der Geschichte wurzeln die Hintergründe für die vermeintlichen und/oder realen Animositäten zwischen Alemannen und Schwaben, Badenern und Württembergern. Diese waren das Thema der jüngsten Runde des Geschichtsvereins Bietigheim-Bissingen am vergangenen Mittwoch im Bärensaal.
Mit einer der Fasnetszeit angemessenen Prise Humor nahm sich Michael Schirpf dieses „heiklen” Themas an. Einige Schwabenwitze machten das Gesagte plastisch. Selbst gebürtiger Alemanne und seit 30 Jahren in der württembergischen Diaspora Gymnasiallehrer, präsentierte Schirpf den rund 80 interessierten Zuhörern zunächst einen historischen Längsschnitt, den er mit der um 1200 v. Chr. anzusetzenden indogermanischen Völkerwanderung beginnen ließ. Der römische Geschichtsschreiber Tacitus lokalisiert den namengebenden germanischen Stamm der „Sueben” noch an der Ostsee, dem „mare suebicum”. Von hier machten sich die Sueben kurz nach der Zeitenwende mit anderen Germanenstämmen auf den Weg nach Westen. Sie landeten vorübergehend im unteren Neckarraum und hinterließen hier ihren Namen, urkundlich fassbar im Herzogtum Schwaben, das zwischen 911 und 1268 den südwestdeutschen Raum bis weit in die Schweiz hinein umfasste. Wie Goten und Wandalen zogen die Sueben indes weiter westwärts. Wir finden sie schließlich im Norden Portugals.
Zu dieser Zeit traten auch die Alemannen erstmals urkundlich in Erscheinung. Die Bezeichnung Alemannen war dabei weniger eine Stammes- als eine Sammelbezeichnung („alle Männer”) für kleinere Volksgruppen aus dem elbgermanischen Raum, die sich in ihren Stoßrichtung gegen die römischen Reichsgrenzen zusammenfanden. Hatten sie im 3. Jahrhundert in unserem Raum den Limes überwunden und die Römer zum Rückzug nach Süden gezwungen, so wurden sie ihrerseits bald von den Franken dominiert. Diese zogen aus ihren Stammsitzen im heutigen Belgien nach Süden, besiegten die Alemannen 496 bei Zülpich und drängten sie hinter eine ost-west verlaufende Linie zurück, die sich als alemannisch-fränkische Sprachgrenze bis heute manifestiert hat: vom Hesselberg zur Hornisgrinde. Auf der Höhe von Ditzingen quert sie unseren Raum und deckt sich dabei nahezu mit den Bistumsgrenzen von Konstanz und Speyer. Nördlich davon spricht man fränkisch, südlich davon alemannisch, wobei das Schwäbische als eine Form des Alemannischen gilt.
Maßgeblich für die Animositäten auslösenden Mentalitätsunterschiede zwischen Badenern und Württembergern seien aber weniger die sprachlichen Unterschiede gewesen, so Schirpfs erste These, sondern vor allem die unterschiedliche konfessionelle und territoriale Entwicklung der letzten 500 Jahre. Württemberg sei als geschlossenes Territorium seit 1534 über Jahrhunderte nahezu homogen protestantisch gewesen. Unter latentem calvinistischem Einfluss habe sich hier eine stark pietistisch ausgerichtete, „genusskritsche” Lebens- und Arbeitsethik entwickelt. Die Schlagerweisheit „Schaffe, schaffe, Häusle baue und net nach de Mädle schaue!” charakterisiere deshalb die württembergische Mentalität tatsächlich sehr zutreffend. Der badische und oberschwäbische Raum hingegen sei katholisch weltzugewandt geblieben, dabei territorial stark zersplittert. Die Fasnet als ein katholisch-alemannisches Fest zeige hier den mentalen Unterschied. Dass es schließlich in Baden viele Witze über die Württemberger gebe, umgekehrt aber kaum, habe vor allem mit Neid zu tun, so Schirpfs zweite These. Ein Neid der Badener auf die wesentlich dynamischere wirtschaftliche Entwicklung Württembergs seit der Industrialisierung.